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Wer kennt die European Gendarmerie Force?

eurogendfor_staatenDieser Tage kamen Gerüchte auf, nach denen sich Teile der im Titel genannten Truppe in Griechenland aufhielten. Das Dementi seitens öffentlicher Stellen in Griechenland ließ nicht lange auf sich warten, und auch wenn die European Gendarmerie Force (EGF) nicht in Griechenland sein sollte, lohnt dennoch ein Blick darauf, was sich hinter diesem Wortungetüm verbirgt. Um diesen Blick zu wagen, sollen an dieser Stelle zunächst einige einleitende Zeilen stehen, die diese vielen unbekannte Truppe vorstellen.

Die EGF ist eine intergouvernementale Vereinigung von Teilen der nationalen Polizei der jeweiligen Mitgliedsländer. Sie wurde von Spanien, Italien, Frankreich, Portugal und den Niederlanden am 17. September 2004 in Noordwijk (Niederlande) gegründet. Bereits zu diesem Zeitpunkt war in diesen europäischen Ländern, die – anders als Deutschland – auf eine lange Geschichte der Gendarmerien zurückblicken können, die Erkenntnis gewachsen, dass es auch auf europäischer Ebene eine Truppe geben sollte, die nicht wirklich Polizei, aber auch nicht wirklich Militär ist. Erst mit den Unruhen im Jahr 2005 in den Vororten von Paris verstand auch die Öffentlichkeit die vermeintlichen Vorzüge einer solchen Eingreiftruppe.

Das Hauptquartier der EGF liegt in Italien, genauer in Vicenza. Mittlerweile sind neben den Gründungsländern noch Rumänien als Vollmitglied, Polen und Litauen als Partner sowie die Türkei als Beobachter hinzugetreten. Die Truppe hat eine Stärke von 800 Mann, wobei kurzfristig bis zu 2.300 weitere Kräfte in den Dienst der EGF gestellt werden können. Dem Vertragswerk, welches der Gründung der EGF zugrunde liegt, folgend, vereint die EGF vielfältige Aufgaben auf sich. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Aufgabe, Menschen und Eigentum im Falle von Unruhen zu schützen. Die Frage, warum zur Wahrnehmung einer derart allgemeinen Aufgabe eine europäische Gendarmerie-Truppe benötigt wird, kann auf verschiedenen Wegen beantwortet werden.

Zunächst ist es für die Regierungen eines Nationalstaates natürlich bequem, wenn im Falle von Unruhen eine Truppe eingesetzt wird, die staatlichen Stellen nicht direkt unterstellt ist. Im Extremfall, d.h., wenn sich Polizisten auf die Seite der protestierenden Massen stellen, kann mittels der Entsendung einer Truppe wie der EGF sichergestellt werden, dass „systemrelevante“ Institutionen geschützt werden. Man denke beispielsweise an Zentral- und Großbanken, an Parlamentsgebäuden oder an Viertel, in denen sich das obere Prozent der Gesellschaft niederlässt. Diese Orte müssten fürchten, dem marodierenden Mob anheimzufallen.

Auch die Entkoppelung vom rechtlichen und demokratischen Rahmen der Nationalstaaten und der Europäischen Union ist ein Aspekt, der aus Sicht der Staatenlenker für die Etablierung einer paramilitärischen Truppe wie der EGF spricht. So wird die EGF denn auch nicht vom Europäischen Parlament kontrolliert und ist auch nicht im europäischen Rechtsrahmen eingeordnet. Groteskerweise darf diese EGF dennoch auf Geheiß der EU aktiv werden, wie das Vertragswerk belegt. Ausschlaggebend für die Entsendung der EGF ist das sogenannte CIMIN, ein Komitee, welches aus den Außen-, Verteidigungs- oder Innenministern der Mitgliedsländer besteht. Wir halten an dieser Stelle also zunächst fest, dass die EGF ausschließlich aus EU-Mitgliedsländern besteht, zumindest was die Vollmitglieder anbelangt, auf Geheiß der EU aktiv werden kann, jedoch der Jurisdiktion der EU entzogen bleibt.

Interessant bei der Betrachtung dieser Eingreiftruppe ist ebenso der Fakt, dass die EGF mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgestattet ist. Dieser Umstand würde zumindest innerhalb Deutschlands eine parlamentarische Kontrolle durch den Bundestag zwingend erforderlich machen, da der Militärische Abschirmdienst oder der Bundesnachrichtendienst ebenfalls einer Kontrolle durch den Bundestag unterliegen. Diese Kontrolle wird auf europäischer Ebene nicht gewährleistet, weshalb der Schlachtruf der EGF, „Das Gesetz wird Frieden bringen“, nicht frei von Ironie ist.

Auch Deutschland wurde eine Mitgliedschaft innerhalb der EGF angeboten, aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken allerdings nicht verwirklicht. Unser Grundgesetz sieht eine strikte Trennung zwischen Polizei und Militär vor. Diese strikte Trennung würde mehr als nur aufgeweicht werden, würde Deutschland Teil der EGF sein. Eine zukünftige Mitgliedschaft Deutschlands ist dennoch nicht unmöglich. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat bereits im März des vergangenen Jahres ein Papier vorgelegt, in dem zivilen Polizeikräften bescheinigt wurde, dass sie nicht in der Lage seien, tödliche Waffen gegen Aufständische einzusetzen, da dies durch das jeweilige Mandat und die Einsatzregeln nicht gestattet wäre. Diesem „Missstand“ könne mit der Aushebung paramilitärischer Gendarmerie-Einheiten begegnet werden, so die SWP.

In Deutschland jedenfalls ist es bereits seit dem Jahr 2009 möglich, dass Polizeikräfte anderer EU-Mitgliedsländer für Ruhe und Ordnung sorgen. In der Drucksache 16/12585 des Bundestages wurde auf Seite 6 überdies der Gebrauch von Schusswaffen dieser ausländischen Einsatzkräfte ausdrücklich nicht verboten.

Alles in allem ist die EGF also eine paramilitärische Polizeitruppe, deren vorrangiges Ziel darin besteht, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU Aufstände niederschlagen zu können. Die Fakten, dass diese paramilitärische Gendarmerie nicht dem Rechtsrahmen der EU unterliegt, sich keiner parlamentarischen Kontrolle auf EU-Ebene zu unterziehen hat und darüber hinaus in weiten Teilen der Öffentlichkeit gänzlich unbekannt ist, sind die problematischsten Aspekte der EGF. Auf Deutschland bezogen ist das Erlauben des Schusswaffengebrauchs für ausländische Polizeieinheiten und damit auch für die EGF in gleichem Maße gefährlich wie unbekannt, da dieser Gebrauch der Schusswaffen – obschon Ultima Ratio – der Fürsorgepflicht des Staates für seine Bürger zuwiderläuft. Es stellt sich die Frage, wie sich Angehörige der deutschen Polizei zu verhalten hätten, sollten Truppen der EGF auf Deutsche schießen. Müssten sie das Feuer erwidern und die eigene Bevölkerung schützen?

Über das Für und Wider einer Gendarmerie lässt sich nie eine schlussendliche Einigung finden. In Ländern wie Frankreich oder Italien, in denen eine Gendarmerie alltäglich ist, ist die Akzeptanz für eine derartige Eingreiftruppe ungleich höher als beispielsweise in Deutschland, das traditionell auf eine strikte Trennung zwischen Polizei und Militär Wert legt. Wenn sich verschiedene EU-Mitglieder allerdings dazu entschließen, eine solche europäische Gendarmerie zu initiieren und diese EU- und weltweit zum Einsatz zu bringen, so muss das EU-Parlament ein Kontrollrecht innehaben, um eine Rückkopplung zwischen Gesellschaft und EGF herstellen zu können.

Dass weite Teile der Bevölkerung bis heute nicht um den Umstand wissen, dass eine solche europäische Gendarmerie überhaupt existiert, ist Zeugnis des Desinteresses der Bevölkerung einerseits, andererseits aber auch für die fehlende Kommunikationsfähigkeit der EGF und ihrer Mitgliedsländer.

Dieser Artikel entstand unter Berücksichtigung dieses Textes, in dem Interessierte unter anderem die Quellen überprüfen können, die diesem Artikel zu Grunde liegen.

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Ein Kommentar

  1. Der Artikel hat lediglich den Namen und das Kredo der Einheit korrekt wiedergegeben, der Rest ist einfach faktisch inkorrekt.
    Meine Empfehlung: Lesen sie sich durch die Literatur über Konfliktmanagement und Einsatzdoktrin. Die EUROGENDFAOR wurde nicht nach Unruhen in Pariser Banlieues gegründet, sondern als Lehre aus dem EUFOR-Einsatz auf dem Balkan, in dessen Rahmen (Stabilisierung, keine offensiven militärischen Kapazitäten einschließend) die öffentliche Ordnung erhalten werden soll. Dass in einem Gebiet, in dem sogar die GSG9 nur mit Zusatzausbildung Kriegsverbrecher festnimmt, keine normalen Polizeien ihre Arbeit verrichten können, sollte auf der Hand liegen.
    Und dass die EUROGENDFOR dem PSK der nationalen Kabinette (und damit indirekt den Parlamenten) untersteht, ist auch klar.
    Was am Ende von diesem Artikel bleibt: Viel heiße Luft um ein politisch ausgeschlachtetes Thema.

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